Corona - Moritz Biedenbach und Rouven Hager kommen aus der Musik- und Veranstaltungsbranche – in der Krise gehen sie neue Wege

Testzentrum statt Festivals

Von 
Anika Pfisterer
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Mannheim. Eigentlich stehen Rouven Hager und Moritz Biedenbach auf internationalen Festivalbühnen, vor ihnen das DJ-Pult und die feiernde Menge. Oder sie wirken als Eventmanager hinter den Kulissen – die Krise aber durchkreuzt ihren Alltag. Heute betreiben sie das Corona-Schnelltestzentrum in der Neckarstadt-West.

Biedenbach erzählt, die Pandemie habe ihm seine zwei Standbeine genommen. Er musste Festivals absagen, die er organisiert hatte – Hager seine Asientour. „Wir haben Berufe, die man nur aus Leidenschaft macht“, meint Biedenbach. Der plötzliche Stillstand sei auch deshalb schwer gewesen.

Die Idee in die Testbranche einzusteigen, brachte Biedenbachs Manager ins Spiel: Er führte sie mit dem Augsburger Labor Armin Labs und einem privat betriebenen Ulmer Testzentrum zusammen, an dessen Strukturen sie sich orientierten. Hager erzählt, sie sahen großen Bedarf an Corona-Testungen und ein geringes Angebot in der Umgebung.

Parallen zum Eventmanagement

Zu der Zeit lag das alte Stromwerk brach. Dessen Eigentümer Marcel Hauptenbuchner (Hildebrandt & Hees) überlässt es ihnen für ihre Pläne. Die beiden reaktivieren den seit Monaten stillstehenden Sprinter von Biedenbachs Eventagentur 7Lives GmbH, laden ihn voll mit Brettern, Flutlichtern, Bauzäunen – alles, was das Lager hergibt. Ein bisschen habe es sich angefühlt, als bauten sie wieder ein Festival auf, sagen sie heute. Die Parallelen zum Eventmanagement seien hervorgetreten. In der Branche würde man unkonventionell denken und sei es gewohnt, sich Szenarien vorzustellen, erklärt Hager. So hätten sie etwa bei der Planung stets die Sicherheit der Gäste im Blick gehabt. Das gelte auch für Themen wie Wartezeiten.

Am 11. Januar, nicht einmal eine Woche nach der Zusage für das Stromwerk, fahren die ersten Autos zur Testung vor – Scheibe runter, Stäbchen rein. Das Angebot scheint gefragt: In der letzten Januarwoche wurden 939 Tests in der Fardelystraße durchgeführt. In der zweiten Februarwoche waren es bereits 1322. Die Autos kommen nicht nur aus Mannheim. Die weiteste Anreise hätten sie bisher aus Koblenz verzeichnet. Aus der Umgebung sei auch Worms, Frankenthal, Bad Dürkheim, aber etwa auch Sinsheim vertreten. Rund 70 Prozent der Gäste machen einen PCR-Test, 30 Prozent einen Antigentest, meint Hager. Die Testung selbst übernimmt das medizinische Personal. Insgesamt stellten die beiden 14 Mitarbeiter ein. „Am Anfang dachten wir, sobald die Infrastruktur steht, müssten wir uns nur noch um die Qualitätssicherung kümmern“, so Hager, „nun sind wir zeitlich doch stärker eingebunden.“ Ihr Arbeitstag beginnt gegen 7 Uhr und endet nicht selten nach Mitternacht. Sie überwachen das Geschehen vor Ort, betreuen Firmenkunden und die abendliche Probenübergabe mit dem Kurierdienst. Die meiste Arbeit aber nähmen Hotline und E-Mails in Anspruch. Aktuell stemmen sie das noch zu zweit.

Digitale Hilfestellung

Am Telefon geht es vor allem um technische Hilfestellung. Oft navigieren sie die Menschen am Hörer einfach auf die Webseite, erzählt Biedenbach. Durch den digitalisierten Prozess können die Kontakte im Testzentrum auf ein Minimum reduziert, der Besuch sicherer werden: Termine werden online gebucht, über einen QR-Code auf dem Testblatt kann das Ergebnis abgerufen werden. Die Zahlung funktioniert zum Beispiel über PayPal oder Bankeinzug – Barzahlung ist ausgeschlossen. Die sonst jüngere Zielgruppe ihrer Veranstaltungen ist mit diesen Prozessen vertraut. Nun aber – bei einem breiteren Altersquerschnitt – stoßen die Eventmanager auf Schwierigkeiten. Sie arbeiten aktuell an Video-Anleitungen, die Hilfestellung bei der Online-Zahlung geben sollen.

Das Testzentrum soll den Weg in die Normalität beschleunigen, erklärt Biedenbach. Ihre Vision geht dabei über ihr bisheriges Wirken hinaus: Negativ getestete Personen könnten mit ihrem Testblatt – innerhalb eines begrenzten Zeitfensters – Einlass zu Events erhalten. So könnten sich Leute mittags testen lassen und abends auf ein Konzert gehen. „Wir könnten uns etwa vorstellen, dass Konzerttickets den Preis für eine Testung schon beinhalten“, sagt Biedenbach. Ihr Partnerzentrum in Ulm sei mit der Idee, Tests und Veranstaltungen zu koppeln, schon auf politisches Gehör gestoßen. Auch private Feiern – wie lang aufgeschobene Geburtstage oder Hochzeiten – könnten damit wieder stattfinden, hoffen sie.

Auch wenn Biedenbach und Hager durch ein Festival deutlich größere Besucherzahlen „schleusen“, erfülle sie ihre Aufgabe, sagen sie. Ein vorübergehendes Projekt soll es trotzdem bleiben. „Wir hoffen, bald wieder in unsere eigenen Berufe zurückzukehren“, meint Hager.

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