Mannheim. Herr Schroeder-Wildberg, Herr Dallinger, wenn Sie jemand im Urlaub fragt, wo Sie herkommen – was sagen Sie dann?
Stefan Dallinger : Heidelberg. Uwe Schroeder-Wildberg: Metropolregion – ok, nicht immer: Auch Heidelberg.
Wenn nicht mal Sie beide als offizielle Vertreter „Metropolregion Rhein-Neckar“ sagen … weil der Begriff so schwer zu erklären ist?
Schroeder-Wildberg: Deswegen steht ja in unserer Vision, dass wir die Metropolregion als eine der attraktivsten Regionen bekanntmachen wollen. Das ist sicher noch eine Aufgabe, es in die Welt zu tragen. Natürlich ist immer noch legitim zu sagen, ich komme aus Heidelberg oder Mannheim oder Hockenheim. Und dann am besten mit dem Zusatz: in der schönen Metropolregion Rhein-Neckar.
Dallinger: Mir ist ganz wichtig, dass wir nicht nur bekannt, sondern auch anerkannt werden. Auf Fachebene, in den Ministerien, egal wo auf der Welt. Da sind wir auch schon weit gekommen. Wir waren zum Beispiel 2024 als einzige deutsche Region von der UNO eingeladen, unseren Nachhaltigkeitsbericht vorzustellen.
Wie ist es bei den Menschen, die hier leben? Sehen die sich nach 20 Jahren als Bewohner der Metropolregion Rhein-Neckar?
Dallinger: Der Begriff ist sehr bekannt, bei der letzten Umfrage kannten ihn 80 Prozent. Bei den Inhalten ist es schwieriger. Das fängt schon bei der räumlichen Ausdehnung und den Institutionen an, das wissen viele nicht so genau. Aber das müssen sie auch gar nicht. Hauptsache, sie wissen, dass die Metropolregion unverzichtbar ist, dass sie wirkt.
Schroeder-Wildberg: Ich musste mir die Institutionen anfangs auch erst erklären lassen. Aber wenn man sich darauf einlässt, ist es nicht mehr so komplex – und die Struktur erfüllt ja auch einen Zweck. Sicher gab es beim Start vor 20 Jahren viel Aufmerksamkeit – das ist eben der Zauber des Anfangs. Umso mehr kommt es jetzt darauf an, unsere Erfolge besser zu kommunizieren, sie greifbarer zu machen – gerade auch für die Menschen, die hier leben.
Dazu hätte ich direkt eine Aufgabe für Sie: Können Sie in zwei, drei Sätzen Ihre Funktionen in der Metropolregion erklären?
Dallinger: Ich bin der Vorsitzende des Verbandes Region Rhein-Neckar und dafür verantwortlich, dass Themen der Region im Regionalparlament demokratisch abgestimmt werden – sodass wir politisch abgesichert und transparent die Entscheidungen umsetzen.
Schroeder-Wildberg: Ich bin der Vorstandsvorsitzende des Vereins Zukunft Metropolregion Rhein-Neckar und …
Allein mit diesem Namensungetüm haben Sie schon fast das Limit erreicht …
Schroeder-Wildberg: … und dann habe ich auch noch so einen langen Nachnamen (lacht). Zurück zum Verein: Wir vertreten Hunderte von Mitgliedern aus Wirtschaft, Politik, Verwaltung und Wissenschaft sowie Zivilgesellschaft. Wir koordinieren den Austausch zielgruppenübergreifend und setzen gemeinsam die Strategie für die Regionalentwicklung.
Herr Dallinger, Sie sind in verschiedenen Funktionen seit der Gründung dabei: Was sind die wichtigsten Erfolge der Region?
Dallinger: Der größte Erfolg ist die Region, die Organisation MRN selbst – dass sie so lange besteht, immer stärker geworden ist und weiterhin die Kraft hat, sich auf neue Situationen einzustellen. Was wir heute machen, kann man überhaupt nicht mit den Aufgaben von vor 20 Jahren vergleichen.
Ein Neustart und ein Abschied
- Uwe Schroeder-Wildberg ist seit 21 Jahren Vorstandsvorsitzender des Wieslocher Finanzdienstleisters MLP .
- Der 60-Jährige führt seit Juli den Verein Zukunft Metropolregion Rhein-Neckar (ZMRN) .
- Er ist Vater dreier Kinder, lebt in Heidelberg, liebt Fußball und Rennradfahren. Schroeder-Wildberg ist nicht nur Doktor der Betriebswirtschaftslehre, sondern hat auch eine klassische Gesangsausbildung.
- Stefan Dallinger ist seit 2010 Landrat des Rhein-Neckar-Kreises.
- Den Verband Region Rhein-Neckar führt der 63-Jährige seit 2010 als Vorsitzender. In der Metropolregion hatte er zuvor mehrere Funktionen. Außerdem ist er im ZMRN der Stellvertreter von Schroeder-Wildberg.
- Zur nächsten Landratswahl wird Dallinger nicht mehr antreten. Seine Amtszeit endet im April 2026. Dann wird er auch seine Funktionen in der Region abgeben.
- Er gehe nicht aus Frust oder Amtsmüdigkeit hatte Dallinger gesagt, sondern: „Irgendwann ist es mal gut.“
Ganz konkret: Was sagen Sie den Menschen, die mit der Organisation wenig am Hut haben? Wo wirken die Erfolge im Alltag?
Dallinger: Im Lebensumfeld eines jeden Einzelnen. Sind Sie Handwerker, haben Sie einen Handwerker-Parkausweis, der nicht nur in Mannheim gilt, sondern auch in den verkehrsberuhigten Zonen von Heidelberg, Neustadt oder Heppenheim. Und den Ausweis gib es sogar digital. Und dann haben wir ein tolles Pionierprojekt in der Notfallversorgung, das es bislang nur in unserer Metropolregion gibt: Ein Rettungsfahrzeug mit 5G-Ausstattung, in dem schon während der Fahrt ins Krankenhaus bildgebende Diagnostik möglich ist, etwa für Herzinfarktpatienten. Dann wissen die Mediziner schon bei der Ankunft des Patienten noch besser, was sie tun müssen. Das sind nur zwei Beispiele von vielen und wir haben noch viele Ideen für die Region.
Dagegen dürfte es Ihnen gerade schwerfallen, den Pendlern im Stau auf der Rheinbrücke den Mehrwert der Metropolregion näherzubringen.
Dallinger: Sie hat auch den betroffenen Pendlern etwas gebracht – schlimmer geht immer! Wir haben, als die Planungen für Sanierung und Neubau der Ludwigshafener Hochstraßen bekannt wurden, das Projekt Baustellenkoordination ins Leben gerufen. Jeder –Länder, Kommunen, Autobahn GmbH, Versorger – legt jetzt seine Karten auf den Tisch, wann und wo Baustellen geplant sind. Glauben Sie mir, dadurch haben wir in den vergangenen Jahren einige Engpässe entzerren können.
Schroeder-Wildberg: Das ist natürlich sehr komplex, aber wir leben nun einmal in einem Drei-Länder-Eck. Genau diese Koordinationsaufgaben kann nur die Metropolregion leisten.
Die Region braucht dringend eine neue Bahntrasse für die Schnellbahnstrecke Frankfurt-Mannheim. Jetzt steht diese in Berlin offenbar wieder zu Disposition. Wird die Stimme der Region in Berlin nicht gehört?
Dallinger: Doch! Gerade dass wir einen regionalen Konsens für den Streckenverlauf gefunden haben, weiß zum Beispiel die Bahn sehr zu schätzen. Das gibt es sonst nirgends in Deutschland. Für uns ist es deshalb nicht nachvollziehbar, dass der Bundesverkehrsminister wieder ein Fragezeichen hinter dieses Projekt gemacht hat. In Berlin gelten leider andere Mechanismen, aber wir begleiten auch diesen Prozess mit all unseren Einflussmöglichkeiten. Da ist natürlich das aktuelle Bundeswahlrecht nicht gerade hilfreich, weil uns direkt gewählte Abgeordnete der Region im Bundestag fehlen.
In Heilbronn entsteht ein beeindruckender KI-Campus – dank der Schwarz-Stiftung. Geraten wir ins Hintertreffen bei Zukunftstechnologien?
Dallinger : Nein, bei uns findet DAS Zukunftsprojekt für die Region und Baden-Württemberg statt: die Health and Life Sciences Alliance, die Lehre, Forschung und Wirtschaft in der Medizin und den Biowissenschaften zusammenbringt. Wir haben uns früh für den Klinikverbund Mannheim-Heidelberg ausgesprochen, alle Akteure zusammengebracht und viele Hürden aus dem Weg geräumt. Jetzt kommt er.
Und was bringt er?
Dallinger: Durch den Klinikverbund entsteht der größte deutsche Datenraum mit anonymisierten Patientendaten. Daraus werden wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen, die zu Innovationen und Neugründungen in der Wirtschaft führen. Das wird der nächste große Schritt. Abgesehen davon sind wir aber auch Partner von Heilbronn.
Herr Schroeder-Wildberg – Sie sind seit Juli ZMRN-Vorsitzender. Wo sehen Sie Defizite, was wollen Sie anpacken?
Schroeder-Wildberg: Wir haben im Vorstand schon mit meinem Vorgänger Uwe Liebelt unsere Strategie 2030 entwickelt mit vier großen Themenfeldern. Grundsätzlich ist es mir wichtig, dass wir den Mut haben, uns zu fokussieren und ergebnisorientiert mit konkreten Zielen zu arbeiten. Diese müssen wir auch messen – um über Erfolge berichten zu können oder früh zu erkennen, was nicht funktioniert.
Können Sie uns kurz und knapp die großen Strategie-Ziele erklären?
Schroeder-Wildberg: Wie schon erwähnt, ist unser oberstes Ziel, die Metropolregion Rhein-Neckar bekannter und anerkannter zu machen. Dafür haben wir eine Reihe an Themen und Ergebniszielen definiert. Dazu gehört zum Beispiel, dass die Region zum führenden Gesundheits- und Life-Science-Standort in Europa wird. Dass die Region die wärme-effizienteste in ganz Deutschland wird, unter anderem durch die Nutzung von Abwärme der Industrie. Und dass wir bei den Themen Bildung und Fachkräfte stärker werden. Wir haben in einigen Teilen der Metropolregion Schulabbrecherquoten, die wir uns als Spitzenregion nicht leisten dürfen. Als Vater von drei Kindern liegt mir dieses Thema besonders am Herzen.
Die Stärke der Region war bisher, dass hier noch viel produziert wird. Aber die Industrie steht unter Druck, durch hohe Energiepreise, Trumps Zollpolitik, die grüne Transformation. Der größte Arbeitgeber der Region, die BASF in Ludwigshafen, legt Anlagen still, baut Stellen ab. Ist die Region noch zukunftsfähig?
Dallinger: Unser Fokus liegt auch darauf, bestehende Industrien zu erhalten. Wir können natürlich nicht eine BASF beeinflussen – aber überlegen, wo wir die Unternehmen unterstützen können. Zum Beispiel dabei, die Transformation zu organisieren. Deshalb wollen wir unter anderem eine gemeinsame Kohlendioxid-Pipeline möglich machen. Dann können Unternehmen wie BASF oder Heidelberg Materials, die viel CO₂ ausstoßen, das Gas auffangen und in unterirdischen Leitungen zum Speicherort bringen lassen.
Schroeder-Wildberg: Gleichzeitig brauchen wir Innovationen. Da setze ich auf die Gesundheitsallianz mit dem künftigen Klinikverbund, aus der sich neue Start-ups oder neue Geschäftsmodelle entwickeln könnten.
Die wichtigsten Fakten zur Metropolregion Rhein-Neckar
- Die Metropolregion Rhein-Neckar (MRN) liegt im Schnittpunkt von drei Bundesländern : Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz.
- Zur MRN gehören sieben Landkreise, acht kreisfreie Städte und insgesamt 290 Kommunen .
- Die größten Städte sind Mannheim, Ludwigshafen und Heidelberg .
- Rund 2,4 Millionen Menschen leben auf einer Fläche von rund 5.600 Quadratkilometern.
- Die Region hat eine hohe Wirtschaftskraft mit rund 160.000 Unternehmen, darunter die DAX-Konzerne BASF, SAP und Heidelberg Materials . BASF ist der größte Arbeitgeber der Region, in Mannheim ist es der Standort des Schweizer Pharmakonzerns Roche.
- Die MRN hat drei wichtige Organe: Der Verband Region Rhein-Neckar ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und seit 2006 verantwortlich für die grenzüberschreitende Regionalplanung, etwa bei Raumordnung oder Mobilität.
- Der Verein Zukunft Metropolregion Rhein-Neckar will Akteure aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft vernetzen und entwickelt die Strategie mit.
- Die Metropolregion Rhein-Neckar GmbH koordiniert regionale Projekte und setzt Beschlüsse ihrer Gesellschafter um, zum Beispiel beim Standortmarketing.
Zur Geburtstagsfeier der Region haben die drei Länder Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz eine gemeinsame Erklärung zur weiteren Zusammenarbeit abgegeben. Was bringt die konkret?
Dallinger: Zum Beispiel, dass die Landesregierungen künftig Fördergelder nicht nur für ihr eigenes Bundesland einwerben wollen, sondern dass es möglich sein wird, die Förderungen für die ganze Region zu öffnen– also über die eigenen Ländergrenzen hinaus. Das ist ein Erfolg, denn viele unserer Projekte brauchen öffentliche Förderungen.
Schroeder-Wildberg: Und die Reallabore, die sind auch neu. Experten und Vertreter aus Stuttgart, Wiesbaden und Mainz werden dann schon bei der Entstehung eines Projektes mit dabei sein. Wir müssen dann nicht erst mühevoll ihre Unterstützung einwerben. Damit wollen wir viel schneller bei der Umsetzung von Projekten werden.
Einer der Gründerväter der Metropolregion, Eggert Voscherau, hat Sie beim Festakt vergangene Woche ermahnt: Die Region müsse nach außen stärker mit einer Stimme sprechen. Hat er recht?
Dallinger: Es wäre vermessen zu erwarten, dass man immer einer Meinung ist. Ich glaube, wir waren noch nie so nah zusammen wie jetzt.
Schroeder-Wildberg: Und unsere neue gemeinsame Strategie ist die beste Basis, um nach außen mit einer Stimme zu sprechen.
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